FuN-Kolleg „Heterogenität gestalten – starke Grundschulen entwickeln“ Inklusion durch Exklusion? Heterogenität im Kontext von Inklusion und Teilhabe

Organisation: Satu Guhl, Martina Funk und Andrea Kehrer

Das Forschungs- und Nachwuchskolleg (FuN-Kolleg) „Heterogenität gestalten – starke Grundschulen entwickeln“ an den Hochschulen Schwäbisch Gmünd und Weingarten (Lauf- zeit August 2019 bis Juli 2022) untersucht unter einem mehrperspektivischen, interdiszi- plinären Zugang zentrale Bereiche der Gestaltung von Heterogenität (http://heterogenität-gestalten.de/). Die drei Teilprojekte unserer Arbeitsgruppe werfen aus erziehungswissen- schaftlicher, soziolinguistischer (qualitative Studien) bzw. soziologischer Perspektive (quantitative Studie) einen Blick auf verschiedene Facetten von Heterogenität in der Grund- schule und gesellschaftliche Teilhabe. Andrea Kehrer (PH Weingarten) setzt sich mit dem Umgang mit Differenz in einer inklusiven Grundschule auseinander und untersucht Differenz- konstruktionen und handlungsleitende Orientierungen von Lehrkräften. Satu Guhl (PH Gmünd) nimmt im Rahmen Ihres Projekts Entstehungs- und Aneignungsprozesse von Language Education Policies ebenfalls Lehrer*innen, aber in ihrer Rolle als language policy makers in Vorbereitungsklassen für neuzugewanderte Schüler*innen, in den Blick. Martina Funk (PH Gmünd) untersucht den Einfluss des Sozialraums auf die Leistungen der Schüler*innen. Alle drei Projekte setzen sich mit Fragen der Inklusion / Integration durch Exklusion auseinander.

Lehrer*innen als policy makers in Vorbereitungsklassen
Satu Guhl & Prof. Dr. Daniel Rellstab, PH Schwäbisch Gmünd

Die Einrichtung von Vorbereitungsklassen dient laut Kultusministerium Baden-Württemberg dem Ziel der Vermittlung von Sprachkenntnissen als Fundament einer gelingenden Integration. Die überaus heterogene Gruppe von Schüler*innen, die als „neuzugewandert“ kategorisiert werden (Massumi et al. 2015), befindet sich daher im Brennpunkt sprachen- politischer Auswirkungen und multilingualer Spracherwerbsprozesse. Die Bandbreite der Mechanismen an Schulen, aus denen die tatsächliche Sprachenpolitik und sprachen- politische Praktiken resultieren, ist unbekannt und Lehrkräfte befinden sich im Zentrum dieser Prozesse (Menken & Garcia 2019). Wie genau Lehrer*innen zu Entstehungs- und Aneignungsprozessen von Language Education Policies beitragen ist bisher ungeklärt. In diesem Beitrag zur Tagung Inklusion und Teilhabe werden Auszüge der Interviewanalysen mit Lehrer*innen an drei Grundschulen mit verschiedenen Beschulungsmodellen vorge- stellt. Aus Sicht der kritischen Language Policy-Forschung (Tollefson 2009) wird gezeigt, wie Lehrer*innen Entstehungs- und Aneignungsprozesse von Language Education Policies und damit Teilhabemöglichkeiten prägen.

Indikatorengestützte Sozialraumbeschreibung und Leistungsvariation zwischen Schulen. Zur Diskussion räumlicher Bildungsungleichheiten am Beispiel Baden-Württembergs
Martina Funk & Prof. Dr. Stefan Immerfall, PH Schwäbisch Gmünd

Ditton und Krüsken (2006) stellen für die deutsche Bildungslandschaft fest, dass Erkennt- nisse aus der Siedlungssoziologie bzw. Sozialraumanalyse bisher kaum Berücksichtigung in der deutschen Bildungspolitik erfahren haben. Dies ist gerade vor dem Hintergrund zunehmender sozialer Spaltung bedauerlich, da sich sozialräumliche Unterschiede in den Schulen widerspiegeln. Neuerdings gibt es jedoch verschiedene bildungspolitischen Ansätze, den Sozialraum der Einzelschule mitzudenken. Vor allem mit der Erstellung von Sozialindizes ist die Hoffnung verbunden, vorhandene Ungleichheiten systematisch zu messen und in der Folge zu reduzieren (Groos 2019). Im Gegensatz zu anderen Bundes- ländern und Stadtstaaten wie Nordrhein-Westfalen und Hamburg verfügt Baden-Württem- berg aktuell über kein Konzept zur indikatorengestützten Sozialraumbeschreibung für die öffentliche Primarstufe. In unserem Beitrag stellen wir erste Ergebnisse einer indikator- engestützten Sozialraumbeschreibung baden-württembergischer Grundschulen vor. Dabei werden sowohl konzeptuelle wie empirisch-methodische Probleme sichtbar.

Umgang mit Differenz in einer inklusiven Schule
Andrea Kehrer & Prof. Dr. Gregor Lang-Wojtasik, PH Weingarten

Das Projekt bezieht sich auf die Orientierungen von Lehrkräften in unterrichtlichen Inter- aktionen, in denen Differenz wahrnehmbar wird. Das Phänomen Heterogenität ist in der unterrichtlichen und schulischen Praxis durch Lehrkräfte wahrnehmbar und reflektierbar. Aus einer system-schultheoretischen Perspektive gilt das Interesse dem Entwicklungs- potential von Grundschule als gesellschaftlicher Bildungseinrichtung. Mit diesem Beitrag soll aufgezeigt werden, dass es ein klares Verständnis dessen braucht, wie Lehrkräfte in der Grundschule unter zugespitzten gesellschaftlichen und organisationalen Bedingungen mit den Herausforderungen von Heterogenität und Inklusion umgehen (Lang-Wojtasik 2018). Differenz bietet als Konstrukt eine Chance, den Heterogenitätsdiskurs auf verschiedenen Ebenen zu beleuchten. Im Zentrum der qualitativen Studie stehen alltagsrelevante Wahrnehmungen und Haltungen der Lehrkräfte. Dazu werden Gruppendiskussionen und Interviews mit der Dokumentarischen Methode (Bohnsack 2017) interpretiert. Es werden Teilergebnisse der Rekonstruktion des Orientierungsrahmens von Lehrkräften – konjunk- tiven und handlungsleitenden Wissens (ebd.) – in Bezug auf Heterogenität im inklusiven Unterricht der Grundschule dargestellt.